Tal der Orangen auf Mallorca

Die Gegend im Nordwesten Mallorcas um die Kleinstadt Sóller hat mehrere Namen. Aber egal, ob man den Ausdruck „Tal von Sóller“, „Tal des Goldes“ oder „Tal der Orangen“ verwendet, diese Region genießt bei Einheimischen und Touristen zugleich den Ruf, einer der schönsten Orte der Baleareninsel zu sein.

Geographische Lage und touristische Besonderheiten

Nur 34 Kilometer von der Hauptstadt Palma entfernt liegt Sóller, das mit seinen gut 13.000 Einwohnern den Charme einer bunten, lebhaften Kleinstadt versprüht. Obwohl Sóller natürlich aufgrund seiner Schönheit ein Anlaufpunkt für Touristen ist, findet Massentourismus im engeren Sinne hier nicht statt, so dass der idyllische Charakter des Ortes erhalten bleibt.

Das Tramuntana-Gebirge, das 2011 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde, beheimatet die höchsten Gipfel der Insel. Es umschließt das Tal von Sóller halbkreisförmig bis hin zum Meer und entfaltet eine schützende Wirkung auf die Vegetation des Tals, welche hier besonders günstige Bedingungen vorfindet. Die abgeschiedene Lage von Sóller, welches bis 1912 nur über den Seeweg und eine schmale, serpentinenreiche Gebirgsstraße zu erreichen war, führte dazu, dass lange Zeit eher Handel mit Südfrankreich getrieben wurde als mit dem nur mühsam zu beliefernden Rest Mallorcas.

Für Touristen besonders interessant ist die Mischung aus Bergen und Meer. Die landschaftlich reizvolle Gebirgskette lädt zu ausgedehnten Wanderungen ein und ermöglicht atemberaubende Ausblicke auf das Innere der Insel in die eine und auf das Mittelmeer in die andere Richtung. Wer entspannt reisen möchte, lässt das Auto stehen und legt die Strecke zwischen Palma und Sóller mit dem „Roten Blitz“, einer historischen Eisenbahn der Ferrocarril de Sóller zurück. Auf diese Weise lässt sich das eindrucksvolle Gebirgspanorama und die üppige Vegetation am besten genießen.

Wer direkt ans Meer möchte, kann den sogenannten „Orangen-Express“, eine Straßenbahn von Sóller an den Küstenort Port de Sóller, besteigen und die Fahrt in offenen Waggons entlang von Orangenhainen antreten.

Die Bedeutung der Orangen im Tal von Sóller

Vall des Tarongers“ - so wird das Tal der Orangen auf mallorquin genannt. Doch auch wenn hier nicht nur Orangen wachsen, sondern auch Grapefruits, Zitronen, Oliven und Mandeln hier beheimatet sind, so nimmt die Orange doch sicherlich die Hauptrolle unter den landwirtschaftlichen Erzeugnissen ein. Das Mikroklima im Tal von Sóller begünstigt den Anbau von Zitrusfrüchten ganz besonders. Die schützenden Berge und das ganzjährig fließende Quellwasser führen zu moderaten Temperaturen in Sommer wie Winter. So findet man beispielsweise im Tal von Soller die Sorte Canoneta, eine Saftorange mit einem Saftanteil von 55%.

Die Geschichte des Orangenanbaus im Tal von Sóller hatte seinen Höhepunkt in der Zeit vom 17. - 19. Jahrhundert. Damals galten Orangen als Delikatesse. Die Exporte nach Süd- und Mitteleuropa beliefen sich teilweise auf über 3000 Tonnen pro Jahr. Die Orange begründete zu dieser Zeit den Reichtum des Tals. Überreste dieser glanzvollen Zeit findet man noch heute im Stadtkern von Sóller, wo die prächtigen Häuser Zeugnis ablegen für diese Epoche der wirtschaftlichen Blüte.

Wie überall auf der Welt erfuhr auch die Landwirtschaft auf Mallorca – und damit auch der Orangenanbau – eine drastische Veränderung. Riesige Plantagen in Erzeugerländern wie Marokko, Südafrika oder auch dem spanischen Festland mit Billigarbeitern aus Afrika erhöhten nach und nach den Druck auf die Preise. Zudem setzte in den 50er Jahren ein Virus den Orangenbäumen zu. Auch der im Aufstieg begriffene Tourismus ließ die Landwirtschaft auf Mallorca nach und nach unattraktiv und unrentabel erscheinen.

Was den Export der Orangen betrifft, so spielt das Tal von Soller heutzutage kaum mehr eine Rolle. Ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor ist signifikant zurückgegangen. Von den 470.000 Tonnen, die die Bundesrepublik Deutschland 2015 importierte, kamen ca. 1.000 Tonnen aus Mallorca. Aber auch in den Regalen der Supermärkte auf Mallorca finden sich heute kaum mehr einheimische Produkte. Auch wenn die Qualität der mallorquinischen Orangen höher ist als die der Konkurrenzprodukte in den Billiglohnländern, lohnt sich das Pflücken der Früchte für die Bauern einfach nicht mehr. Der zu erzielende Preis deckt nicht die Kosten für Ernte, Transport und die Pflege der Bäume. Vielerorts verrotten die Früchte daher an den Bäumen.

Lediglich für den lokalen Bedarf wird produziert. Denn auch wenn die Orangen nicht mehr die überragende wirtschaftliche Bedeutung haben wie in früheren Jahren, so ist ihr Wert für den Tourismus doch herausragend. Die Orange wirkt für das Tal von Sóller in jedem Fall identitätsstiftend. Die Hauptreifeperiode von Februar bis Mai, sowie die Zeit der Blüte von Januar bis März sind wichtige Faktoren für den Tourismus. Die prächtigen Blüten und vollreifen Orangenbäume bilden sehr beliebte Fotomotive für Besucher und wirken geradezu als Touristenmagnet.

Die Stadt Sóller und das gesamte Tal von Sóller lebt vielleicht nicht unbedingt von den Orangen, jedoch sehr gut mit ihnen. Köstliche Spezialitäten aus diesen Südfrüchten sind sehr beliebte regionale Produkte, die sowohl von örtlichen Hotels und Restaurants an Touristen verkauft werden, sich jedoch auch in den kleinen Läden und Märkten großer Beliebtheit erfreuen. Ob frisch gepresster Saft, Liköre, Orangenessig oder das berühmte Orangeneis – die Orange ist in den kleinen Gässchen von Sóller allgegenwärtig. Mit geschicktem Marketing gelingt es zunehmend wieder, die Orange als hochwertiges Regionalprodukt in den Fokus des Konsumenten zu rücken.

Zu dieser Positionierung als Region der Orangen trägt sicherlich auch das seit 2006 stattfindende Orangenfest „Fira de la Taronja“ bei, welches jährlich zwei Wochen lang im Frühjahr veranstaltet wird. Reich mit Orangen dekorierte Gassen und Plätze bilden eine herrliche mediterrane Kulisse für Live-Musik, spezielle Verkostungen von Orangenerzeugnissen sowie Show Cooking-Events lokaler Spitzenköche, die besondere Menüs rund um die Orange kreieren.